Neschan Fanseite  
 
  Kommentar des Autors 28.04.2024 03:34 (UTC)
   
 

Ralf Isau

 

Metaphorik

des Romans 

Die Träume des Jonathan Jabbok" 

 

 

Wenn ich mit Menschen- und Engelszungen rede, aber nicht Liebe habe, 

bin ich ein tönendes Stück Erz oder eine schallende Zimbel geworden.

 

Die Bibel, 1. Korinter, Kapitel 13, Vers 1



Jonathan, der Held der Geschichte, ist ein äußerlich eher benachteiligter Junge - er sitzt im

Rollstuhl. Doch diese Behinderung öffnet Jonathan für Empfindungen und Gefühle, die er

tiefer, intensiver empfindet als die meisten anderen Menschen. Am stärksten von allem aber

reflektiert Jonathan die Liebe, die andere Menschen ihm gegenüber gezeigt haben - sein

Vater, Jacob; der Hausdiener, Samuel und sein Großvater, Jonathan. Wie in einem

Hohlspiegel fängt er diese Liebe auf, und strahlt sie in konzentrierter Kraft wieder aus.  

Jonathan hat die Fähigkeit der vollkommenen Liebe.

Doch davon weiß er zunächst nichts. Nur derjenige, der ihn gerade deshalb auserwählte und

ihn in seinen Träumen in die Welt Neschan versetzte, ihn dort zum Knaben Yonathan werden

ließ, kennt diese Anlage, die wie ein Samenkorn in seinem Innern verborgen liegt und darauf

wartet, in voller Pracht aufblühen zu können.

  Als Yonathan von Benel den Auftrag erhält, den Stab Haschevet zum Garten der Weisheit zu

bringen, erfährt er, warum die Wahl auf ihn fiel. Zudem wird ihm gesagt, er müsse das Böse

mit dem Guten besiegen. Da die Fähigkeit der ihm innewohnenden Liebe ein Teil seines Ichs

ist, versteht er diese Worte zunächst nicht voll. Er glaubt, er müsse die Fähigkeit der Liebe in

absoluter Weise widerspiegeln. Als er durch den Stab Haschevet einen der Männer Sethurs

tötet und später auch - so glaubt er jedenfalls - Sethur zu Tode bringt, ist er überzeugt, versagt

zu haben. Sein selbstgesteckter Anspruch, eine absolute Vollkommenheit in der Liebe zu

erlangen, stellt sich als unerreichbar heraus.

  Erst Schritt für Schritt, durch den Rat seiner Freunde und schließlich durch die Aufklärung

Goels, des sechsten Richters, begreift Yonathan, dass die vollkommene Liebe eines Menschen

nicht absolut sein kann. Nur Yehwoh ist ohne jeden Fehl. Alle vernunftbegabten Wesen

müssen sich mit einem Abglanz dieser göttlichen Vollkommenheit zufrieden geben. Deshalb ist auch ihre Liebe nur in relativer Hinsicht vollkommen; in dem Maße wie sie den Zweck

erfüllt, dem sie dient.

  Doch Yonathan lernt noch etwas anderes: Die vollkommene Liebe und der Hass schließen

einander nicht aus. Seine Hassgefühle gegenüber dem Bösen, hatten ihn im Verlauf der

Geschichte immer wieder in Zweifel gestürzt. Aber sie waren durchaus legitim. Er begreift:

Das Böse zu hassen ist die Pflicht der Liebe, ebenso wie es ihre Pflicht ist, den Hassenden zu

lieben - nicht als Freund, aber als ein achtenswertes Geschöpf, dass sich von der Dunkelheit

abwenden mag, um sich dem Licht zuzuwenden.

Bei seiner letzten Begegnung mit Sethur, dem Heerobersten des Dunklen Herrschers, zeigt

Yonathan ihm gegenüber Mitgefühl - obwohl er Sethurs schlechte Taten verabscheut.

Dadurch wird Yonathans Liebe vollkommen gemacht, sie erfüllt ohne Makel den Zweck, den


Auftrag, dem sie diente: Das Böse zu besiegen. Yonathan wird der siebente Richter Neschans

(und Sethur wendet sich im Folgeroman aufgrund dieser Begebenheit dem Weg des Lichts zu

und verhilft Yonathan damit, das Böse ein zweites Mal zu besiegen).

  Jonathan sagte einmal seinem Großvater (und in ähnlicher Weise auch seinem Freund,

Samuel Falter), er würde sich nie in Hass von ihm abwenden, wenn er ihn einmal verließe,

dann würde er sein Bild stets in Liebe in seinem Herzen tragen. Als Jonathan endgültig die

Erde verlässt, um als siebenter Richter auf Neschan anzutreten, erinnert sich Jonathans

Großvater dieser Worte und sagt zum alten Samuel: "Er hat uns nicht wirklich verlassen,

Samuel. Andere Kinder - die 'normalen', wie man sagt - verlassen ihre Familien und ihre

Freunde. Jonathan war nie eines von diesen Kindern. Das, was andere Menschen von einem

'gesunden' Jungen erwarten - zu laufen, zu springen, auf Bäume zu klettern -, das konnte er

nicht erfüllen. Aber in der äußerlichen Verschlossenheit seiner Seele, steckt eine Tiefe, die

alle diese sogenannt normalen Kinder nur sehr schwer erreichen können: Sie kann selbst die

Zeit und den Raum zu überwinden. In der Liebe seines Herzens bleiben wir für immer und

überall bei ihm, Samuel. Und nun hat Jonathan diese Liebe vollkommen gemacht."

 

Das Bild, das die Geschichte um Jonathan Jabbok zeichnet, ist somit ein Spiegel der

Tatsache, dass behinderte Personen aufgrund ihrer vielleicht tiefer empfundenen Gefühle eine größere Menschlichkeit besitzen mögen als wir sogenannt normalen Zeitgenossen. Darüber

hinaus mögen Gehandikapte noch viele weitere wertvolle Eigenschaften und Fähigkeiten

besitzen. Wir dagegen lassen uns allein von ihrem Makel blenden und sind blind gegen über

ihrem wahren Qualitäten. Sind also am Ende wir, die Gesunden", mit dem größeren Fehler

behaftet und jene oft ungewöhnlich tapferen Menschen, die trotz Behinderung ihren Alltag

meistern, die stärkeren? In Jonathan Jabboks Weltenwechsel scheint sich diese Möglichkeit

abzuzeichnen. Wie er brauchen auch andere Behinderte nicht unser Mitleid. Sie verdienen

unseren Respekt und unsere Anerkennung.

 

Ralf Isau, 12. März 1993                                                                                                                       



© Copyright by Ralf Isau 1993, 2001 
 
  Neschan
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
  frei nach einem chinesischen Denker
Heute Nacht träumte ich, ich sei ein Schmetterling.
Jetzt weiß ich nicht: Bin ich ein Mensch,
der träumte er sei ein Schmetterling,
oder bin ich ein Schmetterling,
der träumt, er sei ein Mensch?
  Din-Mikkith:
Manchmal können sich Gut und Böse genauso wie Sonne und Mond den Himmel teilen.
 
Deine Stimme gegen Armut
  Firefox
Heute waren schon 1 Besucher (2 Hits) hier!
Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden